(Entschuldigt mich bitte fuer die lange Funkstille, ich kann das nur mit meinem kaputten Laptop und dem Busy Sein der letzten Tage in Kamerun rechtfertigen, also ASHIA!)
10 Tage vor meiner Abreise werdet Ihr Euch sicher fragen,
was ich Euch den noch so spannendes, neues mitzuteilen habe, wo ich doch schon
fast ein ganzes Jahr hier verbracht habe und auch meine letzten Blogeintraege
eher von meinem alltaeglichen Leben in Kamerun handelten…
Tjaa, eine letzte spontane Reise ist der Anlass. Denn
kurzerhand hat mich der unbaendige Drang gepackt ein bisschen Familie meines
kamerunischen Freundes kennenzulernen und auf der anderen Seite auch ein
typisches village Kameruns zu erleben
und erfahren.
Was macht denn eigentlich das village hier aus und warum ist
es nicht einfach ein Dorf in unserem westlichen Sinne? Vor allem die letzte
Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Fest steht aber, dass das village
hier eine ganz andere Bedeutung zu haben scheint, als es Doerfer in unserem Gebrauch
haben, weshalb ich zur Differenzierung lieber den englischen Begriff
weiterverwenden moechte. Jeder hier, und wenn ich jeder sage, dann meine ich
auch wirklich alle 20,6 Millionen Einwohner dieses Landes, kommt aus einem
bestimmten Village. Das muss nicht unbedingt bedeuten, dass du dort jemals
gelebt hast, oder geboren wurdest, aber durch deine Vorfahren, die sich in
diesem Village niedergelassen hatten, bevor es zur Urbanisierung kam, hast du
einen festen Bezug zu diesem Ort und wirst ihn auch immer haben. Alle deine
Nachfahren werden diese Verbindung ebenso weiterfuehren, vor allem wenn du ein
Mann bist, denn die Frau zieht ins Village ihres Gatten nach.
Interessant ist auch die Regelung der Landesvergabe. Denn
wenn deine Familie einmal zu einem village gehoert, so hast du das Recht, in
diesem Dorf zu bauen, sofern du ein freies Stueck Land findest. An Bezahlen
denkt da niemand, denn du gehoerst zu dem village so sehr, wie es auch dir
gehoert. Praktisch ist es demnach, wenn man Elternteile aus zwei unterschiedlichen
Villages hat, die beide Haeuser in ihren eigenen Gebieten fuer die Kinder
hinterlassen.
Wenn ich auf den Touristenmaerkten wie zum Beispiel in der
Industrie und Hafenstadt Douala aus Sicht des Haendlers zu stark versuche die
exorbitanten Whiteman Preise herunterzuhandeln, dann habe ich schon mindestens
5x den Satz gehoert So you want to send me back to my village? Auch wenn der Satz nicht
ohne ein Schmunzeln auf dem Gesicht ausgesprochen wird, ist doch etwas ernstes
dran. Denn nur wer Geld hat kann es sich leisten in der modernen Stadt (im
besten Fall Grossstadt zu wohnen). Ausser den Grosseltern lebt keiner mehr
freiwillig in der laendlichen und abseitsgelegenen Umgebung der villages. Die
Strassen dort und dahin sind so schlammig und uneben, da sie noch nie
aspaltiert wurden, dass man fuer 200 km in der Regenzeit (ja, ich hatte mir
natuerlich die beste Reisezeit fuer diesen Trip ausgesucht) an die 10 Stunden
brauchen kann und die Preise sich im Vergleich zur Trockenzeit nahezu
verdreifachen. Dazu kommt, dass man in den Doerfern auf jeglichen Standard
verzichten muss. Es gibt keine Elektrizitaet, und die Schulbildung fehlt oder
ist nur bedingt unter sehr widrigen Umstaenden moeglich, da es ca. eine
Grundschule pro 5 bis 10 villages (was stundenlangen Schulweg oder eben den
Verzicht auf Schule ausloest) gibt, von Secondary School ganz zu schweigen,
dafuer muss man dann schon sehr viel Glueck haben und bei reicheren Verwandten
in der naechstgroesseren Stadt unterkommen. Selbst wenn diese Bedingungen
erfuellt sind, so fehlen dann meist die Mittel Schulmaterialien etc. zu kaufen,
um dem Kind eine ausreichende Bildung zu ermoeglichen. Auch ist der
Lebensunterhalt so kritisch, dass das Kind als Arbeitskraft auf dem Feld
mithelfen muss oder anderweitig durch Handeln an Geld gelangen soll (hierzu
will ich aber kein generelles Bild vermitteln, da ich dafuer viel mehr Doerfer
zum Vergleich haette kennenlernen muessen).
Waehrend man in Deutschland in fast jedem noch so kleinen
Dorf einen Lebensmittelladen finden wird, gibt es im kamerunischen village
meist nur die eigene Farm, die eben das hervorbringen muss, wovon man sich
ernaehren will. Natuerlich gibt es noch den Tausch unter der Einwohnern, sodass
nicht alle alles anbauen muessen, aber auf viele Grundnahrungsmittel muss
verzichtet werden. Obwohl die Rentnergeneration Kameruns fuer ihren
Alkoholkonsum bekannt ist, findet man auch nicht in jedem village eine Bar (in
unserem Fall musste man bis ins ueberuebernaechste village, zweieinhalb Stunden
Fussweg laufen, um eventuell, bei guter Handelszufuhr ein Bier zu ersteigern).
Vielleicht schreibe ich Euch mal eine Liste mit den Dingen, die
es in unserem Dorf, Mbio, nicht gibt (man koennte die Liste natuerlich noch
elenlang fuehren, hier geht es jetzt aber nur ums Notwendigste) und die wir daher
der Familie meines Freundes Tambe mitgebracht haben.
·
Zahnbuerste und Zahnpasta
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Seife (Koerper und Waesche)
·
Reis
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Tomaten
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Milchpulver
·
Tee
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Maggi
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Salz
·
Oel (im Dorf gibt es nur das sehr
geschmackseigene und nicht ganz gesunde rotsaemige Palmoel)
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Jegliche Art von Essen (aber mit dem
obengenannten kommt man gut aus)
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Schulbuecher und Stifte
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Brot
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Streichhoelzer
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Toilettenpapier oder Taschentuecher (nur fuer
uns Besucher, die darauf nicht verzichten koennen)
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Wasser
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Flip Flops (allgegenwaertiges Schuhwerk in
Kamerun)
·
Jegliche Art von Kleidung
So,
nun aber zu unserem eigentlichen Trip nach Mbio.
Also,
Mbio ist Tambes village, das in der Manyu Division bevor der grossen Stadt
Mamfe gelegen ist.
Wegen
der durch die Regenzeit bedingten schlechten Strassenverhaeltnisse haben wir
uns fuer eine sehr lange, aber besser ausgebaute Route ueber Bamenda
entschieden, die uns mit 3 Stops zu unserem Ziel brachte. Mit dem Nachtbus ging
es am Samstag von Buea knapp 8 Stunden nach Bamenda, am naechsten Tag mit einem
Buschtaxi weiter 2,5 Stunden lang bis in die kleine Stadt Batchwo, wo wir dann
unter stroemendem Regen auf einem Motorradtaxi eine Stunde lang durch Sumpf gefahren
sind. Schoen dreckig und mit nassen Klamotten haben wir dann also unser Endziel
namens Mbio erreicht, wo wir mit
offenen Armen vom ganzen vielleicht dreissig koepfigen Dorf empfangen wurden,
und jeder es ganz normal fand, wie unanstaendig wir nach der nicht ganz
umstandslosen Fahrt aussahen.
Als
ich dann endlich die Grossmutter meines Freundes erkannte und ihr allmaehlich
klar wurde, dass der Gast, den ihr Enkel mitgebracht hatte seine feste Freundin
war, da brach der ganze Jubel aus. Sie hat erstmal ein paar Freudentaenze um
mich herum gemacht und mich so herzlich umarmt, dass ich schon nach den ersten
paar Minuten fast das Gefuehl bekommen haette zur Familie zu gehoeren.
Die
naechsten zwei Stunden verbrachten wir dann damit von Haus zu Haus, Lehmhuette
zu Lehmhuette (ganz genau elf Stueck gibt es davon!) zu gehen, jedem
Dorfeinwohner vorgestellt zu werden und Willkommengeschenke wie besondere
village Eier, Guaven, Kokosnuesse und Buschmango in Empfang zu nehmen.
Nach
einem herrlich von der Grossmutter zubereiteten Rice and Stew Dinner fielen wir
dann auch schon uebermuedet von der elenlangen Fahrerei in die Betten.
Der
naechste Morgen begann leider weniger erfreulich als der vorherige Tag geendet
hatte, denn mir wurde die negative Seite des Villagelebens schlagartig bewusst,
als ich zwei komplett angeschwollene und rotgepunktete Haende unter der
Bettdecke hervorzog. Ich habe leider immernoch nicht herausbekommen was fuer
gemeine Insekten mich da entstellt hatten, aber es war mir eine Lehre und trotz
hoher Temperaturen lief ich von nun an
nur noch langaermlig herum.
Nach
dem Fruehstueck haben Tambe und ich seine Grossmutter zur Farm hinter den
Haeusern begleitet und eine Reihe neuer Gewaechse kennengelernt. Da waere zum
Beispiel Egussi, eine bestimmte Art von Frucht, deren Kerne man zur Zubereitung
eines weissen Purees verwendet (sehr teuer, da sich in jeder Frucht nur an die
5 solcher Kerne befinden). Dann wurden mir Vegetables (das ist hier nicht
einfach Gemuese, sondern spinataehnliches Gruenkraut) jeglicher Form und Art,
Cassava Knollen, auch als Maniok bekannt,
und Buschmango vorgefuehrt. Letzteres hat vor allem meine Aufmerksamkeit
geweckt, da ich Mango so sehr liebe. Damit kann man es jedoch weder
geschmacklich noch aeusserlich vergleichen, den es aehnelt eher einer Orange mit
Mango Konsistenz innen, die aber nach Apfel schmeckt. Die Haupttaetigkeit des
gesamten Dorfes waehrend der paar Tage, die ich dort verbracht habe, schien zu
sein die gerade Frisch gereiften Buschmangos auszuschluerfen, sodass man die
Kerne weiterverwenden kann, die dann fuer verschiedene Suppen benutzt werden
koennen. Eine sehr spannende Prozedur.
Am
allermeisten hat mir denke ich das Baden im Fluss gefallen. Der Fluss ist
direkt an einem Wasserfall, sodass das Wasser immer schoen sauber war, obwohl
die Einwohner ihre ganze dreckige Waesche dort regelmaessig waschen.
Ich
wuerde mal behaupten, dass ich aus diesem letzten kleinen Trip doch am meisten
gelernt habe. Nicht nur wie dieses oder jenes Essen an einer Feuerstelle zubereitet
wird, wie man Kokosnuesse oder Kakaofruechte erntet, oder auf einer Farm
arbeitet, nein viel mehr das Zwischenmenschliche hat mich beeindruckt und
gelehrt. Wie die Alten hier mit den Juengeren und Kindern umgehen, wie ich dort
empfangen wurde und wie jeder jedem hilft.
In
Mbio ist man weit entfernt von unserem europaeischen Denkensansatz Wenn du dies fuer mich tust, mache ich jenes
fuer dich oder wenn ich bei dir
Profit machen kann, dann darfst du das und das von mir haben… das hat mir
gut gefallen und mich zum Nachdenken gebracht.
Ich
denke trotz meines nur kurzen Aufenthalts haben auch die Mbio Menschen einiges
neues von mir gezeigt bekommen (und damit meine ich nicht nur, dass sie nach
anfaenglicher Skepsis und argwoehnischer Beaeugung auf den Geschmack von
Vollkornnudeln mit Alnatura Tomatensauce gekommen sind, bis das ganze Dorf
angerannt kam und auch noch etwas abhaben wollte). Nein, ich meine eher die
verschiedene Wahrnehmung und der ganz unterschiedliche Umgang mit dem Menschen
und der Natur.
Ich
bin die erste Weisse in Mbio gewesen, die nicht einfach nur Hallo gesagt hat
und weiter gereist ist, sondern ein wenig mehr Zeit mit den Menschen dort
verbracht hat, um sie auch wirklich kennenzulernen. Das hat zu viel Anerkennung
sowie einem Eintrag an der Dorfhalle gefuehrt und mich geruehrt. Mbio wird wohl
nicht mein letztes Mal gewesen sein!