Ohne dass ich es gemerkt habe, habe ich schon vor Längerem
die Halbzeit meines Kamerun-Aufenthalts überschritten. 7 Monate sind rum. Wenn
Ihr Euch den Countdown rechts oben auf meiner Seite anschaut, dann stellt Ihr
fest, dass noch an die 5 Monate bleiben dürften. Leider ist das bei mir nicht
der Fall, da ich einen Monat früher abreisen muss, studienbedingt, da ich jetzt
höchstwahrscheinlich nach Paris an die „Sciences Po“ zum Politikstudium mit
Schwerpunkt Europa-Afrika gehen werde, wofür ich mich schon vor einem Jahr
beworben hatte und auch angenommen wurde. In Frankreich beginnt das Studium mit
Einführungswoche etc. nämlich schon Ende August und ich muss schließlich auch
noch eine Wohnung finden etc. Viel Zeit für Wiedersehen, Freunde und Familie
besuchen oder auch einfach ein paar schöne Unternehmungen in Deutschland
wiederentdecken bleibt da gar nicht mehr für mich.
Mein neues Ausreisedatum steht damit also fest, es ist der
27. Juli (am 28. bin ich dann am Düsseldorfer Flughafen).
Tjaa, ganz so viel Zeit bleibt mir dann leider nicht mehr,
aber da hier ab Mitte Juni Ferien sind, werde ich trotzdem noch ein wenig Zeit
haben andere Ecken Kameruns zu entdecken.
Jetzt muss ich ein bisschen zurückgehen, denn am 11. Februar
war der Youth Day. In Kamerun ist das eine ziemlich große Sache. Eine ganze
Woche vorher wurden in unserer Schule Youth Day Aktivitäten wie traditioneller
Tanz, klassischer Tanz, Chor und Sportarten wir Fußball und Handball
durchgeführt. Leider wurden immer nur kleine Gruppen von Schülern ausgewählt,
die besten eben, denn am eigentlichen Youth Day sollte man in diesen
Disziplinen gegen andere Schulen antreten. Dadurch war die Schule während
dieser Zeit sehr unruhig, mehr als die Hälfte der Schüler haben rumgetobt, da
kein Unterricht stattfand und sie nichts zu tun hatten, aber dennoch erscheinen
mussten.
Wir Freiwilligen mussten wie das Lehrerkollegium eine sehr
kitschige „Social-Uniform“ beim Schneider machen lassen, die aus einem
pink-lilanen Rock und einer weiß-rosa-glitzernden Weste besteht. So erschienen
wir dann zum Youth Day und die Kinder hatten alle ihre beste Schuluniform an,
Klasse 6 sogar ihr Graduation-Outfit, das ja eigentlich erst für das Ende des
Schuljahres vorgesehen ist.
Im Dorf Bokova hinter unserer Schule fand dann eine Parade
mit allen Schulen der Umgebung statt. Anschließend starteten die Wettbewerbe.
Erst der Kindergarten, dann die Primary Schools u.a. unsere Jamadianle. Wir
gewannen in den Disziplinen Chor und traditioneller Tanz, was unsere Schule
sehr glücklich stimmte. Gewinnen schien hier sehr viel wichtiger als der
eigentliche Spaß an der Sache.
Die eigentliche Sensation waren allerdings die
weiterführenden „Secondary Schools“, die sich für den traditionellen Tanz
unglaublich Mühe gaben. Es war eine richtige Show: Die ca. 20-Jährigen
Abiturienten hatten sich sehr originell mit Bananenblättern, Stöcken, Farbe im
Gesicht und traditionellem Stoff verkleidet, sodass die kleineren Kinder sogar
Angst vor ihnen bekamen. Mit Trommeln, Blätterrascheln und einer Art
Indiandergesang ging es dann los. Das war ein tolles Spektakel. Was mich am
meisten beeindruckt hat ist, dass sie das alle so ernst genommen haben und es
keine Veralberung und nichts gab. Sie wissen alle von ihren Großeltern wie so
eine traditionelle Zeremonie aussieht und versuchen die Kultur zu bewahren. Ich
hatte das Gefühl, dass sich die Jugend bei uns so etwas nie trauen würde und
nur lächerlich fände.
So ging der Tag dann bald zu Ende.
Lange mussten wir nicht auf den nächsten Internationalen Tag
warten, denn für den 8. März stand der Weltfrauentag an. Alle Frauen kauften
sich den extra dafür hergestellten Women’s Day-Stoff, den es in blau und pink
gab. Ich entschied mich für die blaue Variante. Viele Freiwillige kauften sich
davon „Kabbas“, die riesigen afrikanischen Kleider, die jedem passen bzw. nicht
passen, da man unter ihnen ungefähr 10x schwanger sein könnte. Ich entschied
mich aber für den originellen 8-half-skirt, ein bodenlanger Rock, der hier von
fast jeder Frau getragen wird mit einem sehr aufwendigen Rüschen-Oberteil,
Kitsch muss eben auch einmal sein.
Richtig gekleidet sind wir dann am Morgen des 8. März hoch
zum Bongo Square gefahren, wo auch schon der Teacher’s Day im Herbst gewesen
war und marschierten dort nacheinander in unseren zugehörigen Frauengruppen. Das
diesjährige Motto war der Kampf gegen Misshandlung und Kriminalität gegen
Frauen.
Außer dem aufwendigen Outfit hat sich dieser Tag nicht
sonderlich von den anderen Internationalen Tagen unterschieden.
Da Laura, eine der Holländerinnen und Elsa, die Französin
(nur kurze Zeit hier) bald abfliegen sollten, entschieden wir uns einen Ausflug
mit den Waisenhauskindern nach Limbe zu unternehmen. Wir fuhren mit den 17
Kindern und ca. 7 Freiwilligen plus dem Waisenhaus-Manager zum Wildlifecenter
um die Affen und anderen Tiere zu bestaunen. Danach ging es weiter an den
Strand. Manche der Kinder sahen dort das erste Mal in ihrem Leben das Meer,
obwohl sie nur eine halbe Stunde entfernt wohnen. Wir versuchten manchen
schwimmen beizubringen, spielten Strandspiele und aßen Reis. Es war schön die
Kinder so glücklich zu sehen, sie sind eine sehr witzige Gruppe zusammengestellt
aus französisch- aber auch englischsprachigen Kindern im Alter von 3 bis 19.
Mir ist gerade mal aufgefallen, dass ich relativ lange
nichts mehr von meinem Alltag geschrieben habe, obwohl es in Buea ja auch
keinen Stillstand gibt.
Mitte Februar bis Mitte März kam die Sensation namens „Trade
Fair“ zu uns in die Stadt. Trade Fair ist eine Art Jahrmarkt oder Kirmes ohne
Schnickschnack wie Karussels etc. Dafür gibt es jede Menge Bars, Essensstände
(mit geröstetem Fisch, Hühnchen, Peppersoup – kann man nicht mit Pfeffersuppe
übersetzen, denn Pepper ist hier ein ganz scharfes Gewürz, das ein bisschen wie
kleine runde Pepperoni aussieht, Eisständchen, Popcorn usw.), eine große Bühne
auf der Bands und witzige Comedygruppen auftreten und dann darf man natürlich
nicht die ganzen Stände vergessen, wo man Gewinnspiele machen kann. Tja, was
denkt Ihr Euch ist der Gewinn bei solchen Spielen? Nein, es sind keine
Luxusgüter wie bei uns (Kucheltierchen, aufblasbare Plastikkeulen oder Gitarren
etc.), es handelt sich vielmehr um sinnvolle Alltagsutensilien für die Küche,
die jedermann gebrauchen kann wie Schüsseln, Becher, Töpfe, Teller, Siebe und
vieles mehr. Eigentlich gar keine so schlechte Idee finde ich. Und uns
Freiwilligen kam es auch ziemlich gelegen, da wir gerade dabei waren unseren
leeren 5. Raum in der Wohnung zu einer Küche umzufunktionieren. So hat jeder
von uns für 100 CFA Francs (15 ct.) immer ein paar mal gespielt, bis wir genug
von dem Zeug hatten. Die Spielanbieter kannten uns am Ende des Monats sehr gut.
Desweiteren haben Johanna und ich mit Claudette und Tambe
(adoptierte Kinder von Mr. Orock) einen kleinen Peppersoup- Business
aufgemacht. Claudette hat gekocht und gemeinsam mit Tambe verkauft.
Währenddessen haben Johanna und ich uns gedacht können wir unseren besonderen
Weißen-Status doch auch einmal ausnutzen und alle, die uns nur wegen unserer
Hautfarbe ansprechen oder anflirten zu Peppersoup überreden. So wurden wir
quasi die Werbefrauen und haben auch ziemlich viele Leute damit angelockt. Der Monat
war echt witzig und hat aus Buea mal eine kleine Stadt der „Loisirs“ gemacht.
Vergnügungen gab es nämlich endlich mal genug. Denn ein Kino, ein Café o.ä.
fehlt einem nach 7 Monaten schon öfters. Fast jeden Abend haben wir bei Trade
Fair verbracht, deshalb vermissen wir es jetzt um so mehr. Aber Trade Fair muss
nun mal weiterziehen, damit es die meisten größeren Städte Kameruns in einem Jahr durchlaufen
kann.
Das war es damit also. Aber ca. 2 Wochen später kündigte
sich meine Mutter auch schon am Douala Flughafen an… Es war sehr schön sie nach
so einer langen Zeit wiedersehen zu können. Leider hat sie sich ziemlich
anfangs schon sehr erkältet (relativ witzig, wenn man bedenkt, dass sie aus
Minusgraden zu ca. 30 Grad geflogen ist und den ganzen langen und kalten
Deutschlandwinter nicht krank war). Demnach hatten wir am Anfang eher
entspannendes Buea-Programm. Der letzte Schultag vor den Osterferien stand
bevor und sie konnte glücklicherweise die Abschlusszeremonie mit Zeugnissen des
zweiten Terms mitbekommen und Lehrer sowie Schüler ein bisschen kennenlernen.
Meine Lieblingslehrerin Madame Emma hat uns auch ganz herzlich in der Klasse 5A
(eine meiner Deutschklassen) willkommen geheißen und uns kleine Lieder mit
ihrer Klasse vorgeführt. Das war sehr süß.
Auch konnte meine Mutter ihre psychotherapeutischen
Fähigkeiten ein bisschen erproben, da wir nämlich einen Jungen in Klasse 1
haben, der sehr auffällig ist, nicht still sitzen kann und nicht wirklich
spricht. Eigentlich läuft er den ganzen Tag draußen auf dem Pausenhof herum, da
er eh nicht normal mit den anderen lernen kann. Wir Freiwilligen dachten erst
er sei vielleicht autistisch, doch dem stimmt meine Mutter nicht zu. Jetzt
haben wir ihn für ein paar Tests erstmal in die nächst größere Stadt geschickt
und sehen dann weiter.
Am Ende der ersten Woche haben meine Mutter und ich uns auf
den Weg nach Bafoussam gemacht. Ich hatte für unsere Reisen den frankophonen
Teil Kameruns ausgewählt, da das sprachlich einfach besser passt und es dort
genug schöne Ecken gibt.
Dort haben wir die Chefferie Bandjoun, die beeindruckendste
im ganzen Westen, besucht, haben echten Kaffee aus Bafoussam getrunken, den
großen Markt besucht und sind noch einmal nach Foumban gefahren, diesmal
allerdings mit mehr Zeit. Wenn Ihr Euch noch erinnert, so hatte ich im Januar
schon mal von dieser schnuckeligen muslimischen Stadt berichtet. Wir waren
wieder im Sultanspalast mit einer richtigen Führung dieses Mal. Außerdem haben
wir auch noch das ein bisschen außerhalb gelegene Village d’Artisans
(Handswerkszentrum) besucht. Das war sehr eindrucksvoll, denn man konnte den
ganzen älteren Männern beim Arbeiten zuschauen. Die meisten haben
Holzschnitzereien, Masken etc. gemacht. Wenige haben auch aus Bronze Figuren
hergestellt. Ich habe mir dort z.B. Masken-flaschenöffner gekauft und dann
haben viele uns auch noch kleine Geschenke gegeben, wie kleine Bronzepüppchen
mit Perlen, oder einen „Kompass“, der einem früher beim Reisen geholfen habe.
Es handelt sich dabei um eine Art flache Porzellanmaske, die mit 6
verschiedenen Farben bemalt ist. Jede dieser Farben steht dann für eine Region
Kameruns (es wurden ein paar zusammengefasst).
Ja, das war ein sehr schöner Ausflug. Zurück in Buea haben
wir uns dann erstmal für ein paar Tage an den Strand nach Limbe abgesetzt wo
wir auch übernachtet haben. So hatten wir eine sehr erholsame Zeit am Meer, die
meine Mutter auch wieder gesund gemacht hat. Wir haben mit einer Lehrerin das
traditionelle Gericht Occro-Soup gekocht und Ostern mit den Freiwilligen gefeiert
(ein großes Osterfrühstück sogar mit angemalten Eiern! Und einem schönen
Osterspaziergang in das Nachbardorf Tole zum Wasserfall).
Dann war es am Ostermontag leider auch schon wieder Zeit
Abschied zu nehmen.
Ich glaube wir beide waren sehr froh, dass meine Mutter
gekommen ist. Wenn sie Fotos gemacht hat, ist mir immer wieder aufgefallen, was
für mich schon ganz normal ist, aber eigentlich doch ganz fremd von unserer
Kultur, das war immer interessant. Es war auch eine ganz schöne Hürde für sie
mit im Freiwilligen-Appartment zu wohnen, doch wir hatten einen Extraraum. Sie
musste sich dadurch auf Eimerduschen, gewisse nicht vorhandene Hygienestandards
und Stromprobleme einlassen. Insgesamt war ich sehr positiv überrascht wie sie
mit alldem umgegangen ist und wenn ich mich nicht täusche hat ihr die
Kamerunerfahrung sehr gut gefallen!
Jetzt ist sie wieder heil in Deutschland und mein
kamerunisches Leben geht in den Alltag über. Mir wird aber immer mehr bewusst,
dass ich nicht mehr so viel Zeit habe, deshalb probiere ich alles so gut wie
möglich auszukosten.
Ich versuche einmal in der Woche ins Waisenhaus zu gehen,
bin im Linguistic Centre in den höheren Englischkurs aufgestiegen, mache mit
der 1. Klasse immer mehr Creative Mind Corner (also malen wir jede Pause zu
einem bestimmten Thema) und vor ca. einem Monat haben Laura und ich zwei Chöre
in Klasse 5 und 6 gegründet. Die Idee ist uns auf dem Bilingualism Day
gekommen, wo Kamerun seine Zweisprachigkeit gefeiert hat und wir an eine andere
Schule gefahren sind, wo alle Buea-Schulkinder etwas vorführen konnten (z.B.
zweisprachige Verse, Lieder, Zeitungen und vieles mehr). Dort gab es eben auch
einen Chor.
Jetzt ist Laura abgereist, aber die neue Amerikanerin
Anne-Marie hilft mir. Gemeinsam suchen wir jede Woche neue englische Lieder
heraus und es klappt echt gut. Den ersten kleinen Auftritt hatten wir vor den
Osterferien am letzten Schultag, wo wir der ganzen Schule vorgesungen haben.
Gestern Abend (13. April) kam Charlotte Dipanda, eine tolle
kamerunische Sängerin, nach Buea. Anne-Marie und ich sind zusammen zu dem
Konzert gegangen und haben es sehr genossen. Es gibt hier nicht viele
Alternativen zur nigerianischen Pop-Musik, doch sie ist eine davon. Das
bekannteste Lied von ihr ist „Coucou“, das findet Ihr bestimmt bei Youtube.
Genug fürs Erste. Nach meinem Geburtstag habe ich Euch
bestimmt wieder Einiges zu berichten. Bis dann Ihr Lieben!